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Bakelit
Der geniale Millionär und das Hitze-Druck-Patent
MOZ-Serie zur Geschichte des ersten industriell gefertigten Kunststoffs in Erkner / Teil III
Die Stadt Erkner ist die Wiege des ersten industriell gefertigten Kunststoffs, der dort erstmals 1909 hergestellt wurde. Aus diesem Anlass wird Ende November in Erkner dieses 100. Geburtstages gedacht, zum Beispiel mit einer Ausstellung und Vorträgen. Mitglieder des Freundeskreises Chemie-Museum Erkner bringen den MOZ-Lesern die spannende Entwicklungsgeschichte des Kunststoffs näher. Heute Teil III:
Es war ein Tag im zu Ende gehenden Jahr 1899 als ein Mann, Mitte der 30, das Büro des bedeutenden amerikanischen Erfinders und Industriellen George Eastman, dem Inhaber der berühmten Firma Eastman Kodak Company, betrat.
In seiner Tasche hatte er die Patentunterlagen über das von ihm erfundene und erfolgreich produzierte Fotopapier Velox, das anderen Fotopapieren deutlich überlegen war. Eastman hatte Interesse am Erwerb der Rechte daran bekundet, und der junge Mann dachte vielleicht einen Preis von ein paar hunderttausend Dollar erzielen zu können.
Er wurde freundlich begrüßt, und Eastman kam ohne Umschweife zur Sache: Ich biete Ihnen rund eine Million Dollar dafür, Ihr Velox-Papier ausschließlich produzieren zu dürfen und Sie verpflichten sich, die nächsten 20 Jahre nicht mehr in der Entwicklung und Herstellung von Fotochemikalien tätig zu werden. Wenig später stand der junge Mann wieder auf der Straße – als frisch gebackener Millionär. So oder ähnlich dürfte sich die Geschichte zugetragen haben.
Jene Million Dollar wird nun die Grundlage sein, die zu einer noch viel bedeutenderen Erfindung des jungen Mannes führen wird – zum Bakelit, dem ersten industriell herstellbaren duroplastischen Kunststoff in der Welt.
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Erkner - hier begann
vor 100 Jahren das Kunststoff-Zeitalter
Faksimile dieses Artikels in der MOZ
Baekelands
Fotopapier "Velox"
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Wer war nun jener junge Mann? Es war Leo Hendrik Baekeland (sprich Baakeland), ein Belgier, der mit seiner Familie seit 1890 in den USA lebte. In der Nähe von Gent 1863 in bescheidene Verhältnisse hineingeboren, sollte er nach dem Willen des Vaters Schuhmacher werden und musste sich in dieser Handwerksarbeit schon als noch nicht 14-Jähriger üben. Doch mit Hilfe der Mutter, die die große Intelligenz ihres Sohnes erkannt hatte, erschloss sich ihm ein anderer Bildungsweg, der auf dem Gipfel mit einer Professur der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Gent für den promovierten Chemiker Baekeland endete.
Nun war er dank seiner Erfindergabe auch noch reich. Bei Yonkers im Bundesstaat New York erwarb er ein Anwesen und errichtete sich in einem Stallgebäude ein eigenes Forschungslaboratorium für Elektrochemie. Um seine Kenntnisse auf diesem Gebiet weiter zu vertiefen, besuchte er im Wintersemester 1900/1901 Vorlesungen und Kurse an der Technischen Hochschule Charlottenburg, damals noch bei Berlin. Wieder zurück in Yonkers beschäftigte er sich mit der elektrochemischen Gewinnung von Chlor und Natronlauge durch Elektrolyse von Kochsalz und wurde Berater des damals weltgrößten elektrochemischen Unternehmens, der Hooker Electrochemical Company.
Durch diese Arbeiten wurde er auch mit elektrotechnischen Problemen konfrontiert und erkannte klar, wie notwendig ein kostengünstiges, gleichzeitig die Stromverluste senkendes und die Arbeitssicherheit erhöhendes Isolationsmaterial war. Bei seinen Recherchen zu diesem Thema stieß Baekeland auch auf die chemische Reaktion von Phenol mit Formaldehyd und studierte die Arbeiten, die dazu Chemiker und Ingenieure von Kleeberg, 1891, bis Meyer, 1902, geleistet hatten. Er beschäftigte sich nun intensiv mit dieser Reaktion. Es dauerte annähernd fünf Jahre bis er eine ausgereifte, patentfähige Lösung gefunden und vielfältig erprobt hatte. Das war seinem genialen Einfall zu danken, im Gegensatz zu allen anderen die schwer steuerbare Reaktion in mehreren Stufen bei exakter Regulierung von Temperatur und vor allem Druck ablaufen zu lassen. Um das zu erreichen, hatte er ein spezielles Reaktionsgefäß entwickelt, den berühmten Bakelizer „Old Faithful“ – „Der alte Getreue“ in Anlehnung an den Geysir, der einer der bekanntesten der Erde ist.
Im Dezember 1907 wurde ihm dann in den USA das entsprechende Patent erteilt, welches als das bekannte „Hitze-Druck-Patent“ in die Technikgeschichte einging. Leo Hendrik Baekeland hatte damit ein industriell gut nutzungsfähiges Verfahren geliefert und mit ihm die Grundlage für den ersten Massenkunststoff, das Bakelit, welches auch in ausgezeichneter Weise die Belange der Elektroindustrie befriedigen konnte.
Wie das Bakelit nach Erkner kam erfahren Sie im nächsten Beitrag.
Dr. Rolf Ukrow
FCME, Berlin
Veröffentlicht in der Märkischen Oderzeitung am 21.10.2009.
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Leo Hendrik Baekeland (1863-1944)
Baekelands Haus in Yonkers bei New York
Der Bakelizer "Old Faithful"
Hitze-Druck-Patent für Deutschland
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