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Chemie-Geschichte

Bakelit
Als die Schildlaus zu teuer wurde

MOZ-Serie zur Geschichte des ersten industriell gefertigten Kunststoffs in Erkner / Teil II

Die Stadt Erkner ist die Wiege des ersten indus­triell gefertigten Kunst­stoffs, der dort erstmals 1909 hergestellt wurde. Aus diesem Anlass wird Ende November in Erkner die­ses 100. Geburtstages gedacht, zum Bei­spiel mit einer Ausstel­lung und Vorträgen. Mitglieder des Freundeskreises Chemie-Museum Erkner bringen den MOZ-Lesern die spannende Ent­wick­lungsgeschichte des Kunststoffs näher. Heute Teil II:

Mit der Entdeckung des Anilins im Steinkohlenteer durch Friedlieb Ferdinand Runge und den nun herstellbaren Anilinfarben hatte Mitte des 19. Jahrhunderts ein ra­sches Wachstum der chemischen Industrie in Deutschland begon­nen. Ganz ähnlich verlief die Ent­wicklung eines anderen Industrie­zweiges – der Elektroindustrie. Insbesondere mit der Entdeckung des elektrodynamischen Prinzips durch Werner v. Siemens (1816-1892) im Jahr 1866 begann ein stürmisches An­wach­sen.
Die erste elektrische Lokomo­tive 1879, in Lichterfelde – da­mals noch bei Berlin – 1881 die erste elektrische Straßenbahn, das erste öffent­liche Elektrizitätswerk Deutschlands in Berlin 1885, ne­ben den schon weithin bekannten Siemenswerken 1887 die Grün­dung der AEG, das sind nur ei­nige beispielhafte Stationen die­ses Aufschwungs.
Mit dieser Entwicklung ver­bunden war auch die wachsende Nachfrage nach neuen Materia­lien, so z. B. für die Isolation elektrischer Leiter wie Drähte und Kabel, Konstruktionselemen­ten und Apparate-Gehäu­sen. Zu den ersten Isolationsmaterialien gehörten neben Porzella­nen, ei­nige Naturstoffe wie Glimmer, Asbest, Guttapercha, vereinzelt auch Bernstein oder auf Gummi basierendes Material, ölgetränk­tes Papier und Baumwollgewebe. Ganz oben auf der Beliebtheitsskala stand aber das Naturpro­dukt Schellack. Diese harzartige Substanz wird von Lackschild­läusen, die vor allem in Indien und Birma vorkom­men, als Se­kret ausgeschieden. Um ein Kilo­gramm Schellackharz zu gewin­nen wird die Sekretion von etwa 100.000 Schildläusen benötigt. Preis- und mengenmäßig konnte das Produkt dem schnell steigen­den Bedarf kaum entsprechen: die Schildlaus war einfach zu lang­sam und zu teuer. So war der Preis für ein Kilogramm Schellack um 1900 von 1,20-1,60 Mark auf 5 Mark geklettert.
Es begann die Suche nach geeigneten Ersatzstoffen. Chemiker und Ingenieure erinnerten sich des fast 30 Jahre zurückliegenden Ex­perimentes Adolf v. Baeyers, der bei der Reaktion von Phenol mit Formaldehyd eine harzartige Substanz erhalten hatte, die er damals achtlos als „Schmiere“ verworfen hatte. In Deutschland, Österreich, England und auch in den USA befasste man sich nun mit dieser Re­aktion in der Hoffnung, damit einen geeigneten Schellackersatz zu finden.
Den zunächst erfolgreichsten Schritt auf diesem Weg schien 1902 der deutsche Chemiker Carl Heinrich Meyer (1873-1945) aus Zwickau gegangen zu sein. Er hatte solche Reaktionsbedingungen gewählt, dass aus dem Phe­nol und dem Formaldehyd ein schellackähnliches, schmelzbares Kunstharz, von ihm „Laccain“ genannt, reproduzierbar zu gewinnen war. Noch bestehende Mängel versuchte Meyer in den Folge­jahren zu beseitigen, was jedoch nicht gelang. So kam die Pro­duk­tion sechs Jahre später zum Erlie­gen. Im gleichen Jahr wie Meyer hatte ein in den USA lebender belgischer Chemiker begonnen, mit Phenol und Formaldehyd zu experimentieren. Sein Lösungsweg war nach langen Versuchen am Ende erfolgreich.

Dr. Rolf Ukrow
FCME, Berlin

Veröffentlicht in der Märkischen Oderzeitung am 17.10.2009.


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Faksimile des Artikels in der MOZ
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Lackzweig
Lackzweig: Besetzt mit ausgeschwärmten Lar­ven der Schildlacklaus


 
 
 

Carl Heinrich Meyer (1873-1945)
Carl Heinrich Meyer (1873-1945)

 

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Diese Seite wurde erstellt am 22.12.2009