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Freundeskreises Chemie-Museum Erkner e. V. Freundeskreises Chemie-Museum Erkner e. V. Freundeskreises Chemie-Museum Erkner e. V.

Chemie-Geschichte

Bakelit
Ohne Kunststoffe läuft nichts

MOZ-Serie zur Geschichte des ersten industriell gefertigten Kunststoffs in Erkner / Teil VII

Die Stadt Erkner ist die Wiege des ersten indus­triell gefertigten Kunst­stoffs, der dort erstmals 1909 hergestellt wurde. Aus diesem Anlass wird Ende November in Erkner die­ses 100. Geburtstages gedacht, zum Bei­spiel mit einer Ausstel­lung und Vorträgen. Mitglieder des Freundeskreises Chemie-Museum Erkner bringen den MOZ-Lesern die spannende Ent­wick­lungsgeschichte des Kunststoffs näher. Heute Teil VII:

Bakelit, das Material der 1000 Möglichkeiten, war ein Ansporn für die Chemiker und Techniker. Es wurde gezeigt, dass vollsynthetisch in­dus­triell erzeugte Werkstoffe hergestellt werden können, die Natur­harze und mo­difizierte Naturharze voll erset­zen und übertreffen kön­nen und dabei noch preiswerter sind.
üllen: Gegenstände in weißer, heller oder intensiv leuch­tender Farbe ließen sich aus dem dunkelrot­braunen Material nicht herstellen. Die Chemiker schaff­ten Abhilfe: Aminoplast (Harn­­stoff-Formaldehyd-Kondensat) kam Mitte der 1920er Jahre auf den Markt. Heute haben wir zum Beispiel Steckdosen, Licht­schal­ter und Haushaltsmaschinen aus diesem Material.
Nachdem Herrmann Staudinger (Nobelpreis 1953) den Begriff „Makro­molekül“ 1922 einführte und damit das Wesen der hoch­molekularen Stoffe (Polymere) charakterisierte, entwickelte sich dieser Teil der Che­mie intensiv, und es wurde eine Vielzahl von Kunststoffen (= Poly­mere) ent­wickelt, die mit ihrer Vielfalt aus unserem täglichen Leben nicht mehr fortzudenken sind.
1928 kam mit Polyvinylchlo­rid (PVC) ein äußerst vielseiti­ges Material auf den Markt – für Wasserrohre, Handläufe, Boden­fliesen, Kredit­kar­ten und vieles andere mehr. Mit speziellen Zu­sätzen (Weichmachern) werden lederartige Materialien gebil­det: Handtaschen, Riemen, auch „Oberleder“ für Schuhe. Ab 1935 ging PVC in Wolfen und Bitter­feld in Großproduktion.
1938 kam „organisches Glas“ (Polymethylmethacry­lat, PMMA, Plexi­glas) auf den Markt: Ein hervorragendes, glasklares Material mit hohem Oberflächenglanz, das der Kon­taktlinse („harte Linse“) zum Durchbruch verhalf. Mit seinem etwas „größeren Bruder“, dem PolyHEMA („weiche Linse“) war der Siegeszug der Kontakt­linse nicht mehr aufzuhalten.
In den 1930er Jahren wurde die großtechnische Synthese von Ther­mo­plasten (schmelzbare Po­lymer, recyclierbar) vorangetrie­ben, die sich verfahrensmäßig leicht („Spritzgießen“) verarbei­ten lassen, womit die Massenpro­duk­tion der Kunststoffe ermög­licht wurde. Hier sind Poly­styrol (PS), Polyacrylnitril (PAN, Or­lon) und Polyvinylacetat (PVAC) als Fasermaterial stellvertretend für viele weitere Materialien zu nennen.
Revolutionierend waren 1937 Arbeiten von Carothers in den USA: Er entwickelte Nylon (Polyamid 6,6, PA), 1938 stellte Schlack in Berlin-Rummelsberg Perlon (Polyamid 6) her. Diese Materialien veränderten die Welt der Textilfasern: Damenstrümpfe („Nylons“), Oberhem­den, allgemein Textilien, heute im Gemisch mit Baumwolle und Wolle. Poly­amide können aber auch als schlagfest, hochelasti­sche Werkstoffe für Haushaltsmaschinen (auch Bohrmaschinen­gehäuse) eingesetzt wer­den.
Das heutige Angebot an Kunst­stoffen ist fast unüberschaubar. Hier sollen nur kurz angespro­chen werden: Polyethylen (PE) und Polypro­pylen (PP) für z.B. Einkaufstüten, Tiefkühlbeu­tel, Malerfolien, Polyure­thane (PUR), ein elastisches oder auch schlagfestes Material als Elas­tan für Bademoden, aber auch für Blumenkästen und Klein­möbel. Fer­ner Polyester für Ge­tränkeflaschen (PET-Flaschen). Polycarbonat (PC, Macrolon) übertrifft Plexiglas mit seiner Härte und Kratzfestigkeit – ge­nutzt für CDs und DVDs so­wie anstelle von Glas für Über­dachun­gen. Schließlich seien noch die Schaumstoffe genannt: Styropor auf Polystyrol-Basis, PUR-Schaum und Phenoplast­Schaum zur Wärmeiso­lation und als „Mori“ zum Einstecken von Blumen. Kunststoffe spielen in allen Bereichen der Technik eine tragende Rolle. Beim neuesten Airbus-Modell bestehen 40 Pro­zent der Teile aus Kunststoff. Das spart Gewicht und Treibstoff.
Ein letztes Beispiel sind „selbstleuchtende Kunststoffe“, die beim Anlegen einer Spannung Licht aussenden. Ein elektrisch leitfähiger selbstleuchtender Kunststoff (Baytron) kann vom 20. bis 27. Novem­ber im Rathaus in der Ausstellung „Bakelit 100 – 100 Jahre Kunststoff aus Erkner“ des Freundeskreises Chemie-Mu­seum Erkner besichtigt werden.

Prof. Dr. Gerhard Koßmehl
FCME, Berlin


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Baekeland und
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Erkner - Wiege des Kunststoff-Zeitalters
Erkner - hier begann
vor 100 Jahren das Kunststoff-Zeitalter

Faksimile des Artikels in der MOZ
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Herrmann Staudinger (1881-1965)
Herrmann Staudinger (1881-1965)


 

Paul Schlack (1897-1987)
Paul Schlack
(1897-1987)


 
 

Veröffentlicht in der Märkischen Oderzeitung am 20.11.2009.

 
 

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Diese Seite wurde erstellt am 22.12.2009