Chemie-Geschichte |
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Weger, Johannes MaxKurzbiografieChemiker, Unternehmer Max Weger
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Weger verließ 1901 Leipzig und begann in Erkner im Laboratorium der A.G. für Teer- und Erdölindustrie unter Kraemer und Spilker.[7] Beide Hofmann-Schüler waren ihm durch Fachartikel (z. B. über Inden-Cumaron-Harze) bekannt.[8] Er wurde Laborvorstand und bald Chefchemiker. Er veröffentlichte mehrere Artikel, u. a. über Teerkohlenwasserstoffe.[9] Der Tod Julius Rütgers‘ und seines einzigen Sohnes 1903 veränderte die Rütgerswerke A.G., worunter auch das Werk Erkner 1905 wieder firmierte. Mit Kraemer und Spilker gingen die beiden einflussreichsten Chemiker, und mit Direktor Segall hatten die Kaufleute das Sagen. |
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Im September 1908 gab er vor dem Verein Deutscher Chemiker einen hochwertigen „Überblick über Teerinhaltsstoffe“, indem er auch auf mangelnde Nachfrage nach einigen dieser Stoffe hinwies. Dies wurde im Februar 1909 veröffentlicht[11] und konnte so auch Baekeland bekannt werden. Ab dem 23.3.1909 wurde Baekelands erster Bakelite-Artikel in Deutschland publiziert.[12] Weger las ihn und empfahl Direktor Segall die Kontaktaufnahme, was Ende Mai 1909 auf einem Chemie-Kongress in London geschah. Im Juni und Juli 1909 kam Baekeland nach Deutschland, um mit den Rütgerswerken in Erkner das Bakelit zu testen. Weger erinnert ihn später an ihre Begegnung: „Es steht mir noch deutlich in Erinnerung, wie wir die erste grössere Menge Bakelit, zuletzt in einer offenen Kupferschale … erzeugten, bei einem Formaldehyd-Gestank, der es nur gestattete, ab und zu den Raum zu betreten, wie wir lange vergeblich einen geeigneten Bakelisatorzu kaufen suchten …“[13] Auch der Absatz war schwierig: „Die elektrotechnische Ind., die heute unser Hauptabnehmer ist, war im Anfang sehr zurückhaltend. Unser erstes größeres Geschäft bot uns die Knopfind.“ erinnert sich Weger. Er probierte es auch mit Halsketten und Schirmgriffen.[14] Ab Oktober 1909 begannen im Siemens-Kabelwerk in Charlottenburg erste Tests.[15] Am 1.11.1909 kam Baekeland mit Rütgers überein, ein deutsches Unternehmen als Lizenznehmer des Bakelits zu gründen. Im Februar/März 1910 war Weger in New York (vgl. Einleitung). Mit der Bakelite Gesellschaft m.b.H. Berlin Erkner wurde am 25.5.1910 die erste derartige Firma der Welt gegründet, mit Weger als Geschäftsführer – und Beteiligung der Firma Knoll & Co., Ludwigshafen. Diese hatte mit ihrem Mitarbeiter H. Lebach erhebliche Sorgen bereitet. Die Dispute in der Fachpresse und vor Gericht[16] zeigten die unklare Patentlage, die auch Weger beschäftigte: „Wenn ich der ungezählten Stunden u. Tage gedenke, die ich auf dem Patentamte … verhandelte, so erfasst mich noch heute ein Grauen.“[17] Man holte sie mit in die Firma: Knoll & Co. wurden beteiligt, die Patente gekauft und Lebach als Chemiker in Erkner angestellt. |
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In der alten Böttcherei bei Rütgers wurden 1911 48 t produziert. Mit 192 t und 49 Beschäftigten stand die Firma 1913 auf eigenen Füßen. Weger leitete nun auch den Bau eines eigenen Werkes am Flakenfließ gegenüber dem Rütgerswerk, das die meisten Rohstoffe lieferte. Die Grundmauern standen 1914, als der Kriegsbeginn alles unterbrach. Die Forderungen der Kriegswirtschaft konnten kaum erfüllt werden. Die Beziehungen zur US-Bakelite und eigenen Tochterfirmen brachen ab. Trotzdem wurden 1918 690 t produziert. Das Werk konnte erst am 1.7.1921 in der Flakenstraße eröffnet worden. Weger suchte immer nach neuen Möglichkeiten. So war z. B. 1921 mit Goldschmidt über „farblose, wasserklare feste Aminoplaste“ verhandelt worden. Später hatte er auch z. B. mit Ripper und Römmler Kontakt.[18] Die kurze Blüte endete 1922/23 mit der Inflation. Erst mit Wegers USA-Reisen 1926 und 1927 normalisierte sich das Verhältnis dorthin einigermaßen. Bis 1929 wuchs in Erkner die Zahl der Arbeiter (nur Produktion) auf rund 400. Ein neues Gelände an der Berliner Straße wurde erschlossen. Ende 1929 erhielt Weger die Nachricht von der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Berlin für seine Verdienste um die Bakelite-Herstellung. Seine Bemühungen 1937/38 um eine entsprechende Ehrung für Baekeland blieben erfolglos. Die Patente waren hier 1930 abgelaufen, die Monopolstellung der Bakelite GmbH endete in weiten Teilen Europas. Viele Konkurrenten drängten auf diesen Markt, was die Weltwirtschaftskrise verschärfte. Die Zahl der Arbeiter sank auf 175 und forderte den ganzen Einsatz der Chefs: Weger reiste 1931 in die USA und Baekeland kam mindestens 1932 und 1933 her. |
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Auch Wegers Privatleben änderte sich radikal. Um 1930 trennte er sich von seiner Frau und heiratete die wesentlich jüngere Thekla, Ex-Frau seines Chemikers Müller, mit zwei kleinen Kindern. Sie bezogen ca. 1931 ihr neues Haus in der Lutherstr. 11 im nahen Hessenwinkel. Zum 25. Gründungsjubiläum der GmbH 1935 konnte Weger eine Stabilisierung mit 193 Arbeitern und ca. 5.000 t Jahresproduktion konstatierten. Kapazitätsengpässe traten auf, so dass ein moderner Neubau in der Berliner Straße notwendig, von Weger noch begonnen und 1939 übergeben wurde, was eine Produktion von 13.000 t ermöglichte. Nach der Niederlegung der Geschäftsführung zum Ende 1936 wurde er Aufsichtsratsmitglied und Sonderberater der Bakelite. Seine Belegschaft bedauerte das Ausscheiden: „Seine Sorge galt jedem einzelnen im Werk … [so] dass Dr. Weger der ‚Vater der Bakelite-Familie‘ genannt wurde.“[19] Kurz nach Kriegsbeginn 1939 bot er Hilfe an und vertrat seinen eingezogenen Nachfolger Dr. Heil. Erst Ende 1941 ging er endgültig. Kurz zuvor hatte Weger ein Mietshaus in Friedrichshagen an der Ahornallee ge- und das in Hessenwinkel verkauft, wohnte dort aber noch. |
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Am 19. November 1944 starb Max Weger in Hessenwinkel. Am 23. Februar war schon Baekeland gestorben und am 8. März Erkner im Bombenhagel untergegangen, selbst sein neues Haus fiel dem Krieg zum Opfer. Die Bakelite GmbH verlagerte ihren Sitz in den Westen Deutschlands. Die Anlagen in Erkner wurden nach Kriegsende Reparationsgut, der Rest enteignet. Aus kleinen Anfängen entstand der VEB Plasta, Kunstharz- und Pressmassefabrik Erkner. Nach tiefgreifenden Veränderungen gehört das Werk in der Berliner Straße seit 2002 als Dynea Erkner GmbH einem finnischen Chemiekonzern. Das Grab Max Wegers befindet sich noch auf dem Friedhof Erkner und trägt seit 2009 eine Ehrentafel. Leo H. Baekeland wird bis heute als wirkungsmächtiger Erfinder geehrt. Max Weger, der wesentlich zur praktischen Umsetzung beitrug, ist fast vergessen! Frank Retzlaff, Erkner Am 19. November 2009 - seinem 65. Todestag - wurde an Wegers Grab eine Gedenktafel übergeben, gestiftet von den Familien Eckes [Infos + Impressionen]. |
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Anmerkungen
[1] Dieser Beitrag ist eine in den Anmerkungen und Abbildungen erweiterte Fassung des gleichnamigen Artikels im Ausstellungskatalog des Freundeskreises Chemie-Museum Erkner e.V. "Bakelit100. Kunststoff aus Erkner erobert die Welt", Erkner 2009, S. 30 ff. Die Quellen liegen zumindest als Kopie im Archiv des Freundeskreises Chemie-Museum Erkner e.V. [zuk.: AFCME], insb. der Nachlass Max Wegers [zuk.: Nachlass], freundlich zur Verfügung gestellt von Herrn Klaus Eckes, Berlin. a) Leipzig
b) Erkner
c) Weger schrieb weiterhin Beiträge über Harze, Balsame, Kunstharze, Firnisse in:
[2] Weger: Rede im Kranzler, 25.05.1935, S. 9, Nachlass. [3] Quellen zu Weger in Leipzig: Stadtarchiv Leipzig, Bürgerakten, Sign. W 216, W 25 832, W 14 113, div. Adressbücher Leipzig; Universitätsarchiv Leipzig, Promotionsakten J. M. Weger; Dr. phil. Dr.-Ing. E.h. Max Johannes Weger, Bakelite Post, Febr. 1937, S. 34 f.; Weger, Max: Physik, Ob. Sec. A Ostern 1885/86 [Mitschrift, 10. Klasse], Nachlass. [4] Ber. Dt. Chem. Ges., 27 (1894), S. 1210 ff. [5] Vgl. Anm. 1. [6] Beide waren Spezialisten für chemische Technologie und sind Namensgeber des Engler-Bunte-Instituts der Universität Karlsruhe.
[7] Quellen zu Weger in Erkner/Berlin: Adressbuch Erkner 1928; div. Adressbücher Berlin; Bakelite Post, div. Ausgaben; Nachlass, insb. a) Weger: Rede zum 25jährigen Jubiläum der Bakelite, 24.05.1935 und b) Weger: Rede im Kranzler, 25.05.1935. [8] Hier nur deren jeweilige Erstveröffentlichung zu Cumaron und Inden:
[9] Vgl. Anm. 1. [10] Vgl. Anm. 7b), S. 3. [11] Vgl. Anm. 1. [12] Ebd. [13] Weger an Baekeland, 21.6.1934, S. 1, Nachlass. [14] Vgl. Anm. 7b), S. 10. [15] Geschäftsbericht Kabelwerk 1908/09, AFCME. [16] Bijker, Wiebe E.: Of bicycles, bakelites, and bulbs, Cambridge 1997, S. 168 ff. Artikelverzeichnis Leo Hendrik Baekeland 1909 (hier nur zu diesem Streit): a) Über Bakelit
b) Reaktionen auf Lebach
Artikelverzeichnis Hans Lebach 1909:
[17] Vgl. Anm. 7b), S. 10. [18] Weger an Kahl, 29.08.1942, Ripper an Weger 1937 ff., Nachlass. [19] Bakelite Post, 2/1937, S. 34 f. |
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Quellen (genutzt)Vgl. Anmerkungen oben. Literatur
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